Prusa ist tot, es lebe Bambu Lab!?
Prusa vs. Bambu Lab. Bei diesem Thema könnte die Überschrift auch heißen: „Shitstorm incoming in 3…2…1“ – schließlich war das Thema auch lange Zeit ein wenig wie die Glaubensfrage zwischen Android und Apple. Bis jetzt. Denn Stand Ende 2023 zeichnet sich deutlich ab: Prusa hat den Zug vorerst verpasst und ist nur noch etwas für eingefleischte Fans oder Besitzer bestehender Druckerfarmen.
Inhalt
Keine einseitige Hetze
Aber Halt, alle Prusa- und Bambu-Lab-Ultras bitte einen Gang zurückschalten, dieser Meinungsartikel wird weder ein Prusa-Bashing noch eine Lobeshymne auf Bambu Lab. Vielmehr will ich zwei zentrale Argumentationslinien beider Lager einmal genauer unter die Lupe nehmen und dann begründen, warum ich Prusa momentan auf dem Abstellgleis sehe.
Prusa, der Support und die Community
Einmal Prusa, immer Prusa. Wie oft habe ich das schon in unserem örtlichen Makerspace gehört. Und ja: Der Tscheche Josef Prusa hat mit seinem 3D-Drucker im klassischen i3-Format qualitativ sicherlich Maßstäbe gesetzt.
Man musste das Design mit Wiedererkennungswert zwar mögen, aber egal, ob Prusa MK2, MK3 oder MK4: Prusa-Drucker waren jahrelang gleichbedeutend mit guter Druckqualität und Zuverlässigkeit out of the box.
Ein schlagendes Argument für Prusa-Drucker war und ist dabei auch die Tatsache, dass viele Bauteile 3D-gedruckt sind und man so viele Ersatzteile damit bei Bedarf auch direkt selber ausdrucken kann.
Allgemein sieht die Ersatzteillage bei Prusa rosiger aus: Sollte Prusa morgen nicht mehr existieren, könnten Drucker gerade wegen Open Source dennoch weiterlaufen. In der proprietären Bambu Lab Welt sähe das definitiv anders aus.
Fakt ist in Sachen Bambu Lab aber auch: Die Ersatzteilversorgung ist gut und der Markt für Drittanbieter-Bauteile wächst stetig, beispielsweise in Form eines alternativen Hotends von E3D oder aber diverser neuer Bauteile von BIGTREETECH (P1P Touchscreen, Hotend, etc.).
Zurück zu Prusa: Kunden schwärmen vom 24/7h Kundenservice und besonders auch vom PrusaSlicer. Was ich daran mag: Die enorme Vielseitigkeit und das einfache Einbinden benutzerdefinierter Profileinstellungen über eine einzige ini-Datei. Was ich daran nicht mag: die Überfrachtung mit Detaileinstellungen und das im Vergleich zur Konkurrenz nicht wirklich intuitive User Interface.
Bambu Lab hat nur geklaut?
Kern des Anstoßes an Bambu Lab ist immer wieder die proprietäre Hard- und Software. Fangen wir mal bei der Hardware an. Hier soll Bambu Lab sich ähnlich wie Creality mit dem „Creality OS“ oder Anycubic mit dem „Anycubic OS“ mit fremden Open-Source-Federn schmücken. Die Rede ist natürlich von der Firmware Klipper, die euren 3D-Drucker in Kombination mit einem Einplatinenrechner à la Raspberry Pi schneller machen kann.
Viele Anschuldigungen ohne Beweise
Laut Bambu Lab handelt es sich bei der Firmware um eine Entwicklung aus dem eigenen Haus. Dafür könnte sprechen, dass Bambu Lab am Beispiel des neuen Bambu Lab A1 insgesamt lediglich 3 MCUs verbaut. So befinden sich auf dem Motherboard des A1 ein ESP32-S3 mit 240 MHz und ein 32-bit Dual-Core Cortex M4 mit 200 MHz. Hinzu kommt ein weiterer 32.Bit Single-Core Chop (Cortex M4 200 Mhz) mit 64 kb RAM im Druckkopf selber.
Was sagt uns das jetzt? Nun, diese Chips reichen nicht aus um darauf Linux und das darauf basierende Klipper zu installieren. Dafür wäre ein anwendungsspezifischer Prozessor bzw. ein SoC nötig, beispielsweise ein Cortex A53 Quad-Core Prozessor mit 1,5 GHz. Ein weiter Aspekt, der gegen Klipper spricht: Bei Bambu Lab Druckern sind keine TMC-Treiber verbaut.
Aber: Der Youtuber Nero3D hat es geschafft, eine Custom-Firmware auf seinen Bambu Lab X1C zu spielen. Dies soll bis zur Firmwareversion 1.7.0 möglich gewesen sein. So behauptet er, dass Bambus Firmware tatsächlich Linux sei. Beweise für seinen JailBraik legt er aber nicht vor. Möglich könnte dies jedoch sein, setzt der Bambu Lab X1C doch auf ein Rockchip RV1126 SoC.
Ebenfalls keine Beweise gibt es für einen angeblichen Hack von Bambu Labs Logfiles. Diese würden selbst im Lan-Only-Modus an Bambu gesendet und darüber hinaus auch Sensordaten und sogar 3MF-Dateien enthalten. Der Hersteller betont dagegen vehement, nur Zugriff zu haben, wenn Nutzer die Logfiles manuell hochladen und an Bambu senden.
Dass diese Anschuldigungen zumindest beim Lan-Only Modus Quatsch sind, beweist etwa eine technische Analyse, die unabhängig von Bambu Lab angefertigt wurde.
Bambu Studio – nur geklaut?
Und die Software? Auch geklaut, ganz klar von PrusaSlicer. Und ja, das Meiste davon baut auf anderen Slicern und Open Source allgemein auf. Dass es auch „freier“ geht, zeigt etwa die Fork des Bambu Studios namens Orca Slicer. Trotzdem muss ich sagen: Ich finde Bambu Studio (und den Orca Slicer) komfortabler, intuitiver und vor allem übersichtlicher als den PrusaSlicer.
Und apropos PrusaSlicer: Der ist Open Source, wirklich sehr schön. Aber bevor wir jetzt davon anfangen, was er alles von seinem „Vater“ Slic3r „geklaut“ haben soll, belassen wir es nur mit der allgemeinen Feststellung: Jeder Slicer baut in irgendeiner Form auf einem anderen auf oder „kopiert“ dessen Funktionen. So musste man etwa beim featureseitig sonst so vorpreschenden PrusaSlicer auch lange warten bis Funktionen wie ArcWelding oder Tree-Support ähnlich wie bei Cura implementiert wurden. Ist das schlimm? Nein! Denn nur so profitieren alle von allen.
Dasselbe gilt übrigens auch für die Modelldatenbanken: Unendlich viele Modelle auf Thingiverse befinden sich bei Prusas Printables. Vorher waren sie parallel auch bei anderen Plattformen wie Cults oder Yeggi verfügbar. Der User hatte die Auswahl, der Creator seine Copyright-Optionen. Man kann es mögen oder nicht, aber schon länger ist es üblich, dass nahezu jeder Hersteller seine eigene Modelldatenbank betreibt: Creality mit der Creality Cloud oder Anycubic mit einer ursprünglich für Resin-Drucker entwickelten In-App-Lösung.
Jetzt kommt (logischerweise) die Modelldatenbank namens MakerWorld von Bambu Lab und klar, dass dasselbe Spiel wieder von vorne losgeht: Die Urheber von Modellen wollen natürlich zwecks Reichweitensteigerung auch dort ihre Modelle präsentieren. Also wird von Thingiverse & Co. exportiert. Was macht Prusa bei Printables? Erst einmal den Modell-Transfer zu MakerWorld unterbinden und alles, wo „MakerWorld“ steht, als Spam markieren. Wie das mit dem Open-Source Gedanken übereinstimmen soll, überlasse ich euch.
„Widerliche Community“
Das Fanboy-Phänomen kennen wir schon aus dem Apple- und Android-Lager. Einer ist dabei immer der Böse. Und so wurde und wird der Bambu Lab Community vorgeworfen, aggressiv und verleumdend gegenüber anderen Nutzern mit anderen Druckern und allgemein anderen Herstellern zu sein.
Beispiel: Youtuber Tom Sanladerer, bekannt auch und gerade für Prusa-Content, kündigt bereits recht früh an, wegen beleidigender Kommentare von Usern Bambu Lab nicht mehr besprechen zu wollen (und tut es am Beispiel des Bambu Lab P1P dann irgendwann doch wieder). Und ja: Der Ton im Internet ist (leider) viel zu rau und wenig konstruktiv. Das stimmt. Aber wegen ein paar Schreihälsen auf potenziell reichweitenstarken Content zu verzichten? Die Argumentation empfinde ich als vorgeschoben.
Und außerdem: Auch bei Prusa gibt’s Fanboys. Nur waren sie vor Bambu Lab gerade in Bezug auf chinesische Mitbewerber (oft zurecht) mindestens genauso laut wie die Bambu-Jünger jetzt. Es ist und bleibt eine Frage von persönlichen Präferenzen und vor allem: Glaubenssätzen.
Warum Prusa den Zug (vorerst) verpasst hat
Die Krisen & Prusa
In meiner Wahrnehmung beginnt der „Knick“ bei Prusa schon vor dem Erscheinen von Bambu Lab, nämlich Anfang 2020. Die Corona-Krise führt weltweit zu Rohstoffverknappung, Lieferengpässen und Produktionsausfällen. Auch Prusa ist von alle dem betroffen, macht aus der Not eine Tugend durch das Designen und tausendfache Drucken so genannter Faceshields.
Nach Corona kam der Ukraine-Krieg, dessen wirtschaftliche Folgen Prusa dazu zwangen, die Preise zu erhöhen. Druckerneuerscheinungen wurden immer wieder nach hinten datiert. Die Zeit verging und Bambu Lab kam auf das Parkett der Druckerbühne: Fortan verlief die Entwicklung abseits von Prusa rasant. Klipper löste Marlin als Firmware ab, Drucker waren jetzt extremst schnell und die KI-Drucküberwachung hielt Einzug.
MK4 gut – Enttäuschung groß
„Input Shaping“ sowie „Pressure Advance“ (bei Marlin: Linear Advance) sorgten für erhebliche Verbesserungen beim (Schnell-)Drucken und wurden schnell zum Standard. Prusa aber hinkte kräftig hinterher. Immer und immer wieder wurde der Release des Ende 2021 angekündigten Prusa XL CoreXY-Druckers mit seinen bis zu 5 Druckköpfen nach hinten verschoben. Wenn man so will, dann sollte der XL sozusagen Prusas Beitrag zum Next-Gen 3D-Druckerwettbewerb sein.
Stattdessen kam eine genuine Weiterentwicklung von Altbekanntem in Form des Prusa MK4 – und zwar anfänglich ohne Input Shaping, auf den Markt. So hochwertig dieser sein mag und gute Druckergebnisse out of the box liefert – die Enttäuschung war groß. Das Prusa Design mit seinem Drehknopf und dem spartanischen Menüdesign wirkte nun vollends altbacken.
Heilsbringer Prusa XL?
Wir erinnern uns: Ende 2021 angekündigt, lieferte Prusa die ersten Einheiten des Prusa XL im März 2023 aus – und zwar ebenfalls ohne Input Shaping. Endlich ein großer Drucker, endlich ein CoreXY und vor allem: Multifarben- bzw. -materialdruck mit weniger Müll als die Bambu Lab Konkurrenz. Technisch beeindruckend war und ist dabei der extremst schnelle Druckkopfwechsel und das modular heizbare Druckbett. Mittlerweile (seit Ende 2023) ist sogar Input Shaping am Start. Aber: Der Rest aber war und ist für Prusa-Verhältnisse nichts als ein Drama.
Die Druckergebnisse auf dem XL sind bis heute von massivem Stringing und Extrusionsunregelmäßigkeiten begleitet. Hinzu kommen Blobs, die letztlich wohl durch eine (selbst zu bastelnde) mechanische Abstreifhilfe minimiert werden können. In Sachen Multicolorprints kann der XL bisher ebenfalls nicht mit der aktuellen Konkurrenz mithalten. Schaut euch zu alle dem mal dieses Video an.
All das, wofür Prusa bis dato steht – Out of the Box Top Druckqualität und Zuverlässigkeit – bleibt der XL bis heute schuldig. Stattdessen muss der XL beim Kunden reifen. Und das bei Preisen für den teilmontierten XL von 2099€ (1 Druckkopf) bis 3699€ (5 Druckköpfe).
P wie Prusa wie Preis
Europäischer Hersteller und Open Source in allen Ehren. Aber Prusa ist einfach sau teuer. Für einen Prusa MK4 zahle ich alleine 1290€. Möchte ich darüber hinaus eine Einhausung mit Filter (534,20€) und Prusas Multicolorsystem (MMU3 für 329€) haben, liege ich bei stolzen 2153,20€. Für all das inklusive platzsparendem CoreXY-System zahle ich bei Bambu Lab derzeit (Januar 2024) 1499€ (X1C Combo) oder sogar nur 999€ (P1S Combo).
Bedeutet das Kompromisse, die ich bei Bambu Lab eingehen muss? Natürlich! Der Kundenservice ist sicherlich nicht schlecht (Negativbeispiel: Kingroon), aber eben längst nicht auf Prusa-Niveau.
Okay, ist mir Hochwertigkeit „made in Europe“ dann aber diesen Aufpreis wert, wenn das Gerät im Falle des Prusa XL erst beim Kunden reifen muss? Meine Antwort lautet hier ganz klar: Nein. Dazu muss ich aber gleichzeitig auch sagen: Einen moderaten Aufpreis für die Erhaltung des Open Source Versprechens von Prusa wäre ich bereit zu zahlen.
Fazit: Bambu vs. Prusa: 2:1
Egal wie man zu Bambu Lab stehen mag, der Hersteller ist derzeit DER Innovationsmotor in der Branche. Von Hochgeschwindigkeits-CoreXY-Druckern, KI-Fehlererkennung, LiDAR oder umfangreicher Software inklusive App konnte vorher in diesem Ausmaß nicht die Rede sein. Vom A1 Mini bis zum X1C liefert Bambu Lab eine immer größere Modellvielfalt in allen Preisregionen.
Prusa hingegen bleibt zwar in Sachen Kundenservice Branchenprimus; in vielerlei Hinsicht ist man aber einfach zu spät gewesen und hat sich gewissermaßen auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht. Aktuell jedenfalls lässt der Hersteller die eigenen positiven Tugenden mit dem XL vermissen.
Und ja, auch Bambu Lab macht Fehler (Cloudausfall), hat in Sachen Multicolor definitiv ein Müllproblem und sollte als chinesisches Unternehmen weiterhin kritisch beäugt werden. Und dennoch muss ich – Stand Januar 2024 – hier feststellen: Bambu Lab hat die Nase vorne, zumindest vorerst.
Genug geredet an dieser Stelle. Jetzt hingegen würde ich gerne euch zu diesem Thema hören: Was sind weitere Argumente für und gegen Prusa bzw. Bambu Lab? Haut in die Tasten, aber bleibt bitte sachlich und konstruktiv.
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