E-Scooter dürfen in Deutschland nur 20 km/h fahren – und das ist gut so!
Seit Sommer 2019 sind E-Scooter in Deutschland im Straßenverkehr erlaubt, dürfen aber nur 20 km/h schnell fahren. Das hat schon im Vorfeld für Diskussionen gesorgt und wird bis heute als einer der großen Kritikpunkte an der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung genannt. Doch hat dieses Tempolimit nicht auch etwas Gutes? Vielleicht sogar ziemlich viel? Nachdem ich hier lange Zeit zwiegespalten war, bin ich jetzt – nach vielen Kilometern auf dem E-Scooter – der Meinung, dass 20 km/h die richtige Entscheidung waren, und froh darüber, dass die Elektroroller nicht schneller sind.
Vor zwei Wochen schrieb ich hier einen Artikel, in dem ich von meinen Erfahrungen mit E-Scootern berichtete. Die Kommentare dazu drehten sich um viele Fragen rund um die elektrischen Tretroller, aber auch um das Thema Höchstgeschwindigkeit. Besonders leidenschaftlich argumentiert wurde auch unter unserem Artikel zu diesem, 25 km/h schnellen E-Scooter, der in Deutschland nicht für den Straßenverkehr zugelassen ist. Und nun bringt Xiaomi auch noch eine angepasste Version ihres Mi Scooter 3 nach Deutschland, die natürlich wieder gedrosselt wurde und damit nicht nur für Begeisterung sorgt. Überall lese ich: „20 km/h sind doch eigentlich viel zu langsam!“ Und auch sonst begegnet mit das Argument recht häufig, wenn ich über E-Scooter spreche. Immerhin dürfen sogar Pedelecs, also E-Bikes mit Tretunterstützung, von jedermann ohne Führerschein und Kennzeichen mit bis zu 25 km/h gefahren werden. Der Vergleich greift aber zu kurz.
25 km/h sind zu schnell
Dass es ein Limit geben muss, darüber sind sich alle einig. Ein E-Scooter ist bauartbedingt einfach weniger für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt als ein Motorrad oder ein Fahrrad. Die Geschwindigkeit, die meistens als ideal genannt wird und die tatsächlich auch in den meisten anderen Ländern erlaubt ist, ist 25 km/h. Das sei für Fahrer noch beherrschbar und sorge für ein viel besseres Fahrgefühl. Denkt man aber genauer darüber nach, dann muss man einsehen, dass 25 km/h für E-Scooter in den meisten Fällen eine zu hohe Geschwindigkeit ist.
Man könnte auch fragen: Warum nicht 30 als Höchstgeschwindigkeit? In den USA dürfen Scooter 20 mph schnell fahren, ungefähr 32 km/h. Warum nicht 40 oder gleich 50? Das würde automatisch eine Führerschein- und Helmpflicht nach sich ziehen und damit dem Gedanken widersprechen, dass ein E-Scooter ein unkompliziertes Fortbewegungsmittel für jeden sein soll.
Also warum nicht 25 km/h? Die fünf Stundenkilometer sind nicht zu unterschätzen und machen absolut einen Unterschied. Dem widersprechen ja auch die Befürworter nicht, die gerne anführen, dass selbst das schon deutlich spürbar ist und für mehr Fahrspaß sorgt. Es sorgt aber eben auch für mehr Verletzungen, wenn es mal zu einem Unfall kommt. Viele Gegner der E-Scooter beschweren sich jetzt schon, dass Scooter zu schnell seien und auf den Gehwegen – wo sie eigentlich nicht fahren dürfen – oft rücksichtslos unterwegs sind und eine Gefahr für Fußgänger darstellen. Man mag sich vorstellen, wie die Kritik aussähe, wären die Roller sogar noch schneller.
Nun sollten ein paar Idioten, die sich nicht an die Regeln halten, nicht der Grund sein, E-Scooter für alle anderen zu ruinieren. Aber die Realität sieht nun mal leider so aus, dass ein Großteil der Fahrer vor allem der Leihscooter die geltenden Regeln nicht zu kennen scheint. Ob das an einer zu schlechten Aufklärung über die neuen Fahrzeuge liegt oder an den Fahrern selbst spielt dafür erst mal keine Rolle. Zu zweit zu fahren ist für viele jüngere Menschen schon ganz normal. Dass die gleiche Promillegrenze wie beim Auto gilt, wissen scheinbar auch die Wenigsten. Ich habe allein in der letzten Woche zwei Gespräche geführt, in denen meine Gegenüber dachten, für E-Scooter gelte entweder eine Helmpflicht oder eine Führerscheinpflicht. In einem Fall hatte sich der Fahrer sogar dazu entschieden, dass es besser sei, zu zweit mit einem Roller zu fahren, da die mitfahrende Person keinen Führerschein hatte und ja nicht selbst fahren könnte. Und das sind nur zwei Beispiele für die Informationslage der meisten Deutschen, wenn es um E-Scooter geht. Und jetzt stelle man sich vor, all die Menschen, die zu zweit, angetrunken oder auf dem Gehweg mit ihren Scooter unterwegs sind, würden 25 anstatt 20 fahren.
Ich bin fest davon überzeugt, dass ein umsichtiger Fahrer auf einem E-Scooter genau so sicher unterwegs sein kann wie auf einem Fahrrad. Trotzdem ist es etwas anderes, ob man 10 Zoll große E-Scooter-Reifen oder 26 Zoll große Fahrradreifen hat, wenn man mit 25 km/h über eine Bordsteinkante fährt. Das Fahren erfordert einfach bereits jetzt deutlich mehr Aufmerksamkeit und den stetigen Blick auf die Fahrbahn. Auch ich habe schon ein paar mal Bodenwellen oder Straßenschäden übersehen, und der Moment, wenn der E-Scooter auf einmal wackelt, lässt einen schon mal zusammenzucken, selbst bei 20 km/h. Straßenbahnschwellen sind auch so ein Thema, die kreuze ich auf meinem Arbeitsweg mit dem Scooter jeden Tag mehrfach.
Warum 20 km/h meistens ausreichen
Okay, 25 km/h sind zu schnell. Dem kann man jetzt zustimmen oder auch nicht; ich möchte aber noch eine andere These aufstellen: 20 km/h reichen vollkommen aus und es gibt überhaupt keinen Grund, dass E-Scooter schneller sein müssen. Je mehr ich E-Scooter fahre, desto seltener kommt es vor, dass ich mir wünsche, schneller zu sein. Ich genieße einfach die Fahrt und die Tatsache, nicht in einer übervollen Straßenbahn oder im Stau zu stehen. Überhaupt ist mein Eindruck, dass hauptsächlich diejenigen das Tempolimit kritisieren, die selbst gar nicht damit fahren, sondern es aus Trotz entweder ganz sein lassen oder ihre eigenen E-Scooter so tunen, dass sie schneller als die erlaubten 20 km/h fahren. Um sich eine Meinung zu bilden, sollte man aber vielleicht einfach mal eine Weile mit 20 km/h fahren und herausfinden, ob das wirklich so schlimm ist wie man gerne behauptet.
Ich glaube es hilft, sich noch mal vor Augen zu führen, wozu E-Scooter überhaupt gedacht sind. Es sind keine Freizeitgeräte im engeren Sinn und mit Sicherheit keine Sportgeräte – anders als beim Fahrrad oder selbst einem Pedelec muss man selbst ja nichts tun. Es sind auch keine Fahrzeuge für Strecken von zehn Kilometern oder mehr. Das kann man mal machen, es ist aber die absolute Ausnahme. E-Scooter sind eine Ergänzung zum ÖPNV oder zum Auto und verkürzen Strecken, die zu Fuß zu viel Zeit in Anspruch nehmen würden.
Für weite Strecken hingegen sind E-Scooter einfach nicht gemacht. Erhebungen gehen davon aus, dass die mit Leihscootern zurückgelegte Strecke im Schnitt gerade einmal zwei Kilometer beträgt. Für Berufspendler konnte ich keine Zahl finden und die mag durchaus etwas länger sein, wird aber in den meisten Fällen ebenfalls deutlich unter fünf Kilometern liegen. Mir fällt kaum ein Grund ein, warum ich auf diesen Strecken besonders schnell sein muss. Ob ich 15 oder 20 Minuten für die Fahrt brauche ist in den meisten Fällen komplett irrelevant. Wenn ich bei einer Strecke von zwei Kilometern sogar noch ein paar Ampelphasen abwarten muss, in denen ich eh stehe, wird der Unterschied geradezu vernachlässigbar.
20 km/h ist außerdem die Durchschnittsgeschwindigkeit der meisten Radfahrer, mit denen man sich den Radweg teilen muss. Nicht überall gibt es Überholmöglichkeiten und oft genug kann ich nicht mal meine 20 km/h auf dem Scooter voll ausfahren. Auch hier bringt mir die theoretisch höhere Geschwindigkeit nichts.
Was ich hingegen voll verstehen kann, ist, dass man mit 20 km/h ungerne auf die Straße ausweicht, wo man sich ständig von PKW und LKW bedroht fühlt. Das ist aber kein Problem des Tempolimits, sondern der unsäglichen Entscheidung, E-Scooter beim Fehlen eines Radwegs überhaupt auf die Straße zu zwingen, anstatt den Gehweg benutzen zu lassen. Und wirklich sicherer ist man mit 25 km/h auf der Straße auch nicht, auch wenn es sich vielleicht so anfühlt weil einen die Autos nicht ganz so schnell überholen.
Kann sich die aktuelle Begrenzung in Zukunft ändern?
Muss das alles so bleiben? Nein, sicher nicht. Bei allen Gegenargumenten sehe natürlich auch ich, dass 25 km/h mehr Spaß machen als 20. Und auch abseits davon gibt es ja Argumente, die für 25 km/h als Tempolimit sprechen. Nicht überall gibt es die oben beschriebenen Verkehrshindernisse. Auf manchen Strecken – gerade außerhalb der (Innen-)Städte – kann man auch mal 5-10 Minuten am Stück geradeaus fahren, ohne auch nur einmal anhalten zu müssen. Und wie erwähnt sehe auch ich kein stark erhöhtes Verletzungsrisiko bei E-Scootern generell, solange eben sowohl die Fahrer als auch die anderen Verkehrsteilnehmer diese richtig einschätzen können.
Um das sicher sagen zu können, müssen aber auch Unfallstatistiken weiter beobachtet werden. Bisher sieht es so aus, als seien E-Scooter ähnlich oft in Unfälle verwickelt wie Mofas und Mopeds. Wenn von E-Scootern faktisch keine größere Gefahr ausgeht als von vergleichbaren Fahrzeugen, dann gibt es auch schon mal einen Grund weniger, sie so in der Geschwindigkeit zu begrenzen.
Und vielleicht steht uns ja wirklich eine große Verkehrswende bevor und wir schaffen es, die Nutzung des Autos in Deutschland drastisch zu reduzieren – man wird ja noch träumen dürfen. Wenn Radwege in zehn Jahren breiter sind und gleichzeitig weniger Autos auf den Straßen, dann kann man auch darüber nachdenken, Scooter schneller zu machen. Scooter-Sharing kann sich ebenfalls ganz anders entwickeln. Ja, es sieht danach aus, als seien die Leihscooter gekommen um zu bleiben, aber wer kann schon sagen, ob sich alle Anbieter letztendlich am Markt behaupten können und in den Innenstädten in zwei, drei Jahren nicht schon wieder deutlich weniger E-Roller unterwegs sind. Dafür sehen wir dann vielleicht mehr private E-Scooter, auf denen die Besitzer erfahrungsgemäß anders fahren als auf gemieteten.
Das alles gilt es aber abzuwarten. Für den Moment genieße ich die Freiheit, die mir mein E-Scooter bietet, auch bei 20 km/h, und bin besonders als Fußgänger froh darüber, dass es auch wirklich nicht mehr sind.
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