Elektromobilität | Warum ich E-Scooter erst toll fand, dann nervig und mir jetzt einen kaufe
In den letzten Jahren fand ich E-Scooter erst super gut und hielt sie für das Fahrzeug der Zukunft. Nach der Einführung in Deutschland war ich dann irgendwann ernüchtert und konnte mir nicht vorstellen, je einen zu kaufen. Mittlerweile hat sich meine Einstellung aber erneut gewandelt.
Inhalt
E-Scooter? In Deutschland?
Ich finde E-Scooter toll, seit ich zum ersten Mal damit gefahren bin. Nein, eigentlich fand ich sie schon davor ziemlich cool und habe mich sehr darauf gefreut, als wir vor Jahren die ersten Modelle aus China ausprobieren konnten. Und nicht nur mir gefielen die Roller, auch unsere Community bei CG nahm sie positiv auf und Modelle wie den damals sehr beliebten Xiaomi M365 sah man sogar regelmäßig auf deutschen Straßen – lange bevor das eigentlich erlaubt war.
Damit wären wir auch schon beim ersten Problem. Deutschland machte es sich schwer, die neuen Fortbewegungsmittel zu akzeptieren. Viel wurde und wird von der Verkehrswende gesprochen, zu der die E-Scooter laut ihrer Fürsprecher einen wichtigen Beitrag leisten würden. Dagegen sprachen Autofahrer, die die Roller ja nicht vor sich auf der Straße sehen wollten, und Fußgänger, die Sorge hatten, neben Radfahrern nun mit noch mehr Fahrzeugen um ihren Platz neben der Fahrbahn kämpfen zu müssen.
Und natürlich war da ein riesiger Berg an Vorschriften und Regularien, den es zu beachten gab. Roller mit Elektromotor, die schneller als 6 km/h fahren, sind quasi das gleiche wie ein Auto und natürlich als Fahrzeug zu behandeln (während Elektrofahrräder, die 25 km/h schnell fahren, natürlich keine Fahrzeuge sind, solange man dabei die Beine ein wenig bewegen muss).
Wohin also mit diesen neuen Tretrollern mit Motor, für die irgendwie niemand der anderen Verkehrsteilnehmer bereit war, einen Teil des eigenen Raums abzugeben?
Ich fand E-Scooter immer noch toll, aber die Debatte darüber irgendwie ziemlich nervig.
Die Elektrokleinstfahrzeugeverordnung 2019
Nach langem Hin und Her wurde schließlich die „Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr“, oder kurz „Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung“ bzw. eKFV beschlossen. E-Scooter wurden nun – mehr oder weniger – klar definiert und Regeln erlassen: Sie dürfen nun immerhin am Straßenverkehr teilnehmen, müssen dabei den Radweg oder – wenn dieser nicht vorhanden ist – die Straße benutzen und dürfen dabei nicht schneller als 20 km/h sein. Ein Mindestalter von 14 Jahren wurde bestimmt und eine Versicherungs- und Kennzeichnungspflicht erlassen – es fühlte sich ohne einfach nicht deutsch genug an.
Ich war nicht mit allen Entscheidungen einverstanden, insgesamt aber zufrieden, dass man die Scooter nun immerhin fahren durfte. Am schlimmsten an der Regelung finde ich bis heute, dass man E-Scooter mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h beim Fehlen eines Radweges auf die Straße verbannt, wo sie im Zweifelsfall neben 50-70 km/h schnellen Autos fahren, anstatt den Fahrern zuzumuten, auf dem Gehweg beim Vorhandensein von Fußgängern rücksichtsvoll zu fahren. Wer wird eigentlich mehr gefährdet, der Fußgänger durch den Rollerfahrer oder der Rollerfahrer durch den LKW? Das eigentlich Tragische ist dabei, dass es immer noch Straßen ohne Radweg und/oder mit zu schmalen Fußwegen gibt. Anderes Thema, das würde an dieser Stelle wirklich zu weit führen.
Nicht okay war außerdem auch, dass bis zu diesem Zeitpunkt gekaufte Scooter, die oft eben auch 25 km/h fuhren, nicht nachträglich zugelassen werden konnten. Wer also frühzeitig in die laut Andreas Scheuer (damals Verkehrsminister, wir vermissen ihn alle sehr) „echte zusätzliche Alternative zum Auto“ investiert hatte, sah nun alt aus.
Zu diesem Zeitpunkt war ich trotzdem voller Hoffnung, dass sich die Scooter nun durchsetzen und für ein Umdenken bei Pendlern sorgen würden. Wenn der Bahnhof ein bisschen zu weit weg ist, um zu Fuß zu laufen, Busfahren aber auch irgendwie nervig und das Fahrrad für die Bahn zu umständlich ist, dann wäre der E-Scooter doch eigentlich die ideale Lösung, um nicht mit dem Auto fahren zu müssen. Und selbst für Autofahrer wäre es doch sicher praktisch, nicht darauf angewiesen zu sein, einen Parkplatz in unmittelbarer Nähe des Ziels (oft der Arbeitsplatz) finden zu müssen, wenn man die „letzte Meile“ auch mit dem E-Scooter zurücklegen kann, der bequem in den Kofferraum passt.
Nach dem Beschluss fand ich E-Scooter wieder interessant und war überzeugt, bald würden das alle so sehen.
Scooter-Chaos
Es kam anders. Denn auch, wenn es nun langsam mehr Hersteller gab, die neue Scooter für deutsche Käufer produzierten, waren es vor allem die E-Scooter-Verleihe, die Schlagzeilen machten und die Großstädte veränderten – und das nicht nur zum Guten.
Ja, man konnte nun einfach per App einen E-Scooter ausleihen und damit mal eben in die Innenstadt fahren. Oder zum Bahnhof. Gerade zu Beginn, als die Anbieter, die auf den umkämpften, neuen Markt drängten, mit Coupons nur so um sich warfen, habe ich das oft genutzt. Dass man die Scooter nahezu überall (innerhalb eines bestimmten Stadtgebiets) abstellen konnte, machte sie außerdem extrem flexibel.
Zu flexibel vielleicht, denn viele Fahrer nehmen das zum Anlass, den Roller auch einfach mal mitten auf den Gehweg zu stellen. Oder in einen Hauseingang, eine Einfahrt, mitten auf den Bahnsteig, eigentlich überall dort, wo sie im Weg sind. Oder gleich mitten im Rhein. Vandalismus wurde zu einem Problem, wobei mir bis heute nicht klar ist, ob es E-Scooter-Gegner sind, die an den Fahrzeugen ihren Frust auslassen, oder die Fahrer selbst, die es „cool“ finden, das Fahrzeug einfach mal von einer Brücke zu schmeißen. Verständnis für irgendetwas davon habe ich jedenfalls keines.
Und wenn du der Typ bist, der nach jeder Fahrt nach einem Fahrradständer Ausschau hält um sein Fahrzeug möglichst ordentlich zu parken, während du an zwei Rollern vorbeikommst, die mitten auf dem Radweg liegen während dir zwei Jugendliche auf einem Scooter entgegenkommen, dann fragst du dich auch irgendwann, ob du eigentlich noch der einzige normal Denkende auf einem E-Scooter bist.
So langsam ebbte meine anfängliche Begeisterung ab. Auch ich musste einsehen, dass die meisten meiner Fahrten zwar für mich sinnvoll waren, sie aber fast immer eine Alternative zu Bus und Bahn und nie zum Auto waren. Oder ich sogar den Scooter anstatt des Fahrrads benutzte, was in so ziemlich jeder Hinsicht das Gegenteil von dem ist, was man (und auch ich) erreichen wollte.
Das war der Zeitpunkt, an dem meine Begeisterung für E-Scooter nachließ.
Was muss sich bei Scooter-Sharing verändern?
Dabei war der Grund dafür nicht einmal der E-Scooter an sich. Ich las in vielen Kommentaren, dass die meisten Käufer mit ihren privaten Scootern sehr zufrieden waren und damit häufig fuhren. Meiner Erfahrung nach sind E-Scooter-Fahrer auch nicht rücksichtsloser, als es manche Radfahrer sind. Und der größte Störfaktor in Innenstädten sind immer noch Autos, dagegen verblassen selbst Berge von E-Scootern auf den Gehwegen.
Aber die öffentliche Wahrnehmung wurde nun mal von den Leih-Scootern dominiert. Dieses Experiment kann man meiner Meinung nach heute als gescheitert betrachten. Zumindest in der Form, wie es in den ersten Jahren angegangen wurde, löst Scooter-Sharing keine Mobilitäts-Probleme.
Ich war am Anfang strikt dagegen, bin aber mittlerweile der Überzeugung, dass es feste Abstell-Stationen für die Roller braucht. Menschen sind offensichtlich nicht in der Lage, mit ausgeliehenen Fahrzeugen verantwortungsvoll umzugehen, wenn sie dafür nicht haftbar gemacht werden können. (Ich will mir nicht ausmalen, wie es mit Car-Sharing-Autos aussehen würde, könnte man die einfach abstellen und weggehen.)
Die Leih-Scooter müssten außerdem günstiger werden. Eine Fahrt von 15 Minuten kostet bereits ca. 4€. Zwar gibt es mittlerweile Abo-Modelle. Wer aber so viel fährt, dass sich ein Abo lohnt, der kommt auf lange Sicht mit einem eigenen, privaten Scooter trotzdem billiger weg.
Und selbst dann ist es zwingend notwendig, den Umbau der Innenstädte weg vom Auto hin zum Fahrrad und ÖPNV weiter voranzutreiben. Das ist keine Thematik, die nur E-Scooter betrifft, aber sie nutzen nun mal die gleiche Infrastruktur wie Radfahrer, und in einer Auto-Stadt macht weder Radfahren noch E-Scooter-Fahren Spaß. Wenn die Radwege zahlreicher und breiter sind, stört sich auch niemand mehr an den zahlreichen Leih-Scootern.
Wenn in das Scooter-Sharing-Chaos irgendwann Ordnung einkehrt, kann ich es auch wieder ernst nehmen und die Leih-Roller wertschätzen.
Warum ich mir nun doch einen Scooter zulegen will
Soviel zu Scooter-Sharing. Wer sich in der Zeit seit 2019 einen eigenen E-Scooter gekauft hat, der ist von vielen dieser Probleme weniger betroffen. Zum Beispiel die Kosten der Leih-Scooter. Den eigenen Roller bezahlt man einmalig, Kosten für den laufenden Betrieb entstehen erst mal wenige. Die Schätzungen für die Stromkosten liegen bei einem Preis von 40 Cent pro kWh im niedrigen bis mittleren zweistelligen Bereich auf das ganze Jahr gerechnet – anhängig davon, wie viel man wirklich fährt. Eine Versicherung kostet um die 40€ pro Jahr. Klar, Zusatzkosten für Reparaturen und etwa neue Reifen kommen dazu, das ist aber auch beim Fahrrad nicht anders (falls das nicht klar ist: wenn ihr die Wahl habt zwischen E-Scooter und Fahrrad, dann nehmt immer das Fahrrad).
Jeder private E-Scooter ist aber auch für die Öffentlichkeit ein kleineres Problem, denn er steht nicht auf der Straße, sondern in der Garage/Keller/Wohnung des Besitzers. Mit dem eigenen Scooter geht wohl auch selbst der rücksichtsloseste Fahrer besser um, und dank Kennzeichnungspflicht (vielleicht hat sie ja doch was Gutes) hält man sich hoffentlich auch eher an die Verkehrsregeln.
Ich selbst habe aber in den letzten Wochen begonnen, anders auf das Thema zu schauen. Denn obwohl ich seit Jahre E-Scooter benutze, sowohl Leih-Scooter regelmäßig fahre und auch andere Modelle schon über längere Zeiträume für CG ausprobiert habe, habe ich nie selbst einen E-Scooter besessen. Aktuell benutze ich mit dem Ninebot D38D wieder seit einigen Wochen einen Scooter, und habe jetzt sehr positive Erfahrungen damit gemacht.
Für mich ist der Scooter vor allem eine Ergänzung auf dem Weg zur Arbeit geworden. Mein Arbeitsweg besteht aus 20 Minuten Straßenbahn und 15 Minuten Zugfahrt, plus Wartezeiten und (sehr kurzen) Fußwegen davor, dazwischen und danach. Indem ich – anstatt mit der Straßenbahn zu fahren – für die Strecke den Scooter nehme, bin ich schneller unterwegs. Die Fahrzeit ist zwar nahezu die gleiche. Zusätzlich muss ich aber nicht auf die Bahn warten und nicht einkalkulieren, dass die sich auch mal verspätet oder ausfällt. Heißt im Endeffekt, ich kann 15 Minuten später aus dem Haus gehen.
Manchmal habe ich auch einfach keine Lust auf eine volle Straßenbahn. Vielleicht ist es die Pandemie, vielleicht nur die Sommertemperaturen, aber mit dem E-Scooter zu fahren erscheint mir zuletzt meistens als die angenehmere Art der Fortbewegung. Wenn die Bahn verspätet ist und dazu noch 15 Minuten Wartezeit kommen sowieso. Gilt zwar genauso auch für das Fahrrad, mit dem Roller ist man aber doch noch flexibler, wenn man doch aus irgendeinem Grund öffentliche Verkehrsmittel nehmen möchte. Oder zu faul zu strampeln ist, was ich auch nicht immer von mir weisen kann.
Ende gut, alles gut?
Und jetzt? Ich will gar nicht, dass sich jeder E-Scooter kauft. Fahrt lieber mehr Fahrrad. Das versuche ich auch so oft wie möglich zu machen, für den Arbeitsweg wird es für mich jetzt aber der Scooter sein, zumindest als Ergänzung. Keine Ahnung, vielleicht sehe ich das irgendwann auch wieder anders. Aktuell gibt mir der Roller aber etwas Freiheit, ohne dabei das Auto benutzen zu müssen.
Was bedeutet das für E-Scooter in Deutschland insgesamt? Ich hoffe, dass sich private Scooter weiter durchsetzen. Ob das passieren kann, das hängt auch mit der öffentlichen Wahrnehmung zusammen, und die wird leider immer noch durch viele Negativbeispiele, nicht zuletzt den Leih-Scootern, getrübt. E-Bikes hingegen werden immer beliebter, die Bereitschaft, auf diese Form der Mobilität umzusteigen, ist also bei vielen da. Ich glaube, dass E-Scooter dazu einen Beitrag leisten können, auch wenn der Weg noch ein sehr langer werden dürfte.
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