Die 4K-Lüge – Schwindel rund um Kameradrohnen
Dass aus China neben vielen tollen Innovationen auch einiges an nicht so guter Technik kommt, ist hinreichend bekannt. Besonders im Bereich günstiger Freizeitdrohnen mit Kameras fallen Hersteller wie Online-Shops hier leider immer noch negativ auf und schwindeln dem Kunden so einiges vor. Mir geht das ziemlich auf die Nerven.
Inhalt
Mehr Drohnen als man zählen kann
Beinahe jeden Tag überfliege ich die E-Mail-Newsletter der verschiedenen China-Shops. Vielleicht findet man ja mal ein kleines Highlight. Da, ein Shop hat mehrere Drohnen im Angebot – und ich weiß schon auf den ersten Blick, dass ich keine Lust auf irgendeines dieser Modelle habe. Sie alle sind Klone der berühmtem Mavic Pro des Branchenführers DJI. Der kommt ebenfalls aus China und ist ein Beispiel dafür, wie ein chinesisches Unternehmen durch Innovation und zuverlässige Technik auch international Ansehen und eine breite Fangemeinschaft erreichen kann.
Bis auf das Aussehen haben diese Drohnen aus dem Newsletter aber wenig mit den Modellen von DJI gemein. Fast alle tragen unbekannte und teils kryptische Namen: ATTOP X-PACK 10, CSJ S162, GLOBAL DRONE GW89, GOOLRC SG907 – ein Hersteller oder eine Marke lässt sich oft nicht ausmachen. Immerhin günstig sind sie: Die Preise schwanken zwischen 20 und in seltenen Fällen 100€. Dafür wird aber ein tolles Flugerlebnis und fast immer eine revolutionär gute Kamera versprochen. Besonders letzteres ist oft nichts anderes als eine dreiste Lüge. Aber dazu gleich noch mehr.
Alle kopieren bei DJI
Die DJI Mavic Pro war ein großer Erfolg für DJI und nach der Phantom-Serie das neue Vorzeigemodell des Herstellers. Ihr folgte 2019 die Mavic 2 Pro, deren Design größtenteils vom Vorgänger übernommen wurde. Und auch die neueren Mavic Mini und Mavic Air 2 sind sofort als Modelle der Serie auszumachen. Drohnenfans auf der ganzen Welt erkennen die typische Silhouette und verbinden mit DJI in der Regel ein Mindestmaß an Qualität.
Genau das machen sich aber schon seit Jahren alle möglichen Hersteller zunutze und kopieren einfach das Design. Die breite, kantige Front und das schmaler werdende Hinterteil finden sich bei fast allen Nachbauten. Auch die Beschriftung, die Arme und die Standfüße sind oft zumindest ähnlich, auch wenn hier bereits beim Hinsehen die Qualitätsunterschiede erkennbar sind. Klar, abgeguckt wurde schon immer, besonders in China. Und bei einer Drohne mit vier Armen kann man auch nicht unendlich viel anders machen.
Bei der großen Anzahl verschiedener Quadrocopter fällt es aber einfach auf. Die Idee ist klar: Das Design soll mit der bekannten Marke assoziiert und der Kunde getäuscht oder zumindest beeinflusst werden. Ich bin mittlerweile soweit, bei einem Modell, das auch nur annähernd so aussieht wie die Mavic, sofort die Lust zu verlieren und weiterzuklicken.
Versteht mich nicht falsch, ich möchte hier DJI auch gar nicht über den grünen Klee loben. Über wiederkehrende Probleme mit Firmware und Apps und dem laut einigen Erfahrungsberichten nicht immer zuverlässigen Kundensupport kann man sicherlich reden, und natürlich spielen sie auch in einer völlig anderen Liga mit teilweise mehr als zehnmal so teuren Drohnen wie denen, über die ich mich hier auslasse. Wer aber bewusst bei DJI kopiert darf sich dann aber auch über den Vergleich nicht beschweren. Zumal mich weniger die geringere Qualität stört als die Art, wie diese den Kunden verkauft wird. Dazu komme ich jetzt.
Die 4K-Lüge
Als ich 2015 bei China-Gadgets angefangen habe waren Drohnen – auch die Mini-Modelle für unter 20€ – einige der Gadgets, die mein Herz gewonnen haben. Eine meiner ersten Bestellungen war eine kleine Drohne für knapp 10€, mit der ich das Fliegen gelernt habe. Die Flugzeit war mit 6-7 Minuten gering, der Akku und die Motoren sind längst hinüber, aber für einige Monate hat sie mir sehr viel Spaß gemacht. Zumal ich wusste was ich bekomme, denn genau so stand es in der Beschreibung des Shops. Und wenn eine der ersten kleinen Kameradrohnen damals eine 0,3MP-Kamera haben sollte, dann gab es in der Regel eine 0,3MP-Kamera. Aktuell kommt es mir so vor, als sei das alles nicht mehr so. Die Bezeichnung „4K“, was in der Regel eine Auflösung von 3840 × 2160 Pixeln meint, benutzen Hersteller wie Shops mittlerweile so, wie es ihnen in den Kram passt.
So findet man etwa ein Modell mit dem Titel „4K Camera FPV RC Quadcopter“ für rund 80€. Eine 4K-Kamera zu dem Preis? Klingt verlockend. Bis man in die Beschreibung weiter unten schaut. Dort ist mal von einer „HD Camera“ (was auch eine 720p-Auflösung sein könnte) die Rede, mal von einer Videoauflösung von 1920x1080p. Wohlgemerkt mit nur 20fps, was schon hart an der Grenze des Unbrauchbaren liegt, aber das ist hier nicht mal der Punkt. In den beistehenden Grafiken taucht dann auch immer mal wieder das Schlagwort „4K“ auf, und in den Fragen weiter unten wird sogar dreist vom Support behauptet, die Drohne habe natürlich eine 4K-Kamera.
Oder die SG907 in einem anderen Shop, die laut Titel eine „Ultra HD Camera“ hat. Ein Blick in die Specs offenbart dann den wunderbaren Listenpunkt „Video: (1080P)1920*1080; (4K)2048×1080“. Aha. In einem anderen Shop findet sich allein in den Produktgrafiken zur gleichen Drohne insgesamt zehnmal(!) die Bezeichnung 4K. Die eigentliche Videoauflösung: Full HD. Und das sind nur einige Beispiele.
Manche Marken rechtfertigen das damit, dass die Fotoauflösung ja sehr wohl 4000×3000 Pixel sei, und es eben eine 4K-Fotokamera sei. Was aber erstens so nur in den seltensten Fällen auch erklärt wird und zweitens natürlich trotzdem Unsinn ist, da niemand die Begriffe „Full HD“ oder „4K“ für Fotos benutzt. Dort wird die Auflösung immer in Megapixeln angegeben. Und drittens trifft das nicht mal auf alle Modelle zu, manchmal ist es auch einfach schlicht gelogen und die Auflösung stimmt weder für Videos noch für Fotos. Egal wie man es auch rechtfertigen will, es bleibt eine Täuschung des Kunden.
Und es gibt weitere Beispiele. Mal stimmt die Auflösung zwar theoretisch, die Framerate ist aber so niedrig, dass man sie nicht gebrauchen kann. Die „Beauty-Filter“ vieler Foto-Drohnen hellen einfach das Bild insgesamt etwas auf, was die Qualität aber nur noch schlechter macht. Und dass alle diese Drohnen trotzdem als Video-Drohnen beworben werden, die unvergleichliche, kinoreife Aufnahmen ermöglichen sollen, kann man da schon eher als das übliche Werbe-Blabla abtun. Ohne Gimbal, das die Bewegungen um Flug ausgleicht, oder einer elektronischen Bildstabilisierung ist an all das natürlich auch nicht zu denken.
Das Ganze ärgert mich vor allem deshalb, weil die jeweiligen Shops gar nicht per se schlecht oder gar betrügerisch sind. Bei vielen davon bestellen wir hier regelmäßig, und in ganz vielen Punkten, vom Support über den Versand bis hin eben auch zu den Beschreibungen, hat sich in den letzten Jahren vieles verbessert. Und dennoch gibt es speziell im Bereich der Quadrocopter den Trend, hier sprichwörtlich Scheiße für Gold verkaufen zu wollen. GearBest, TomTop, Geekbuying – kaum ein Shop hat nicht mindestens ein paar solcher Drohnen im Angebot.
Und das ganze schlägt ja sogar weitere Kreise. Wer sich ein bisschen für die Thematik interessiert, bekam vielleicht schon mal die YouTube-Werbung des Mavic-Klons angezeigt, der „die Drohnenwelt im Sturm erobert“. Hier werben Versandhändler im großen Stil mit diesen Schrott-Drohnen und das ganz gezielt auch in Deutschland.
Kann man Drohnen in China noch kaufen?
Das eigentlich Traurige an der ganzen Sache ist: Ja, natürlich kann man noch Drohnen in China bestellen, und es gibt auch nach wie vor sehr gute darunter. Von einer 20€-Drohne erwarte ich ja auch keine Kino-Qualität, nicht mal eine Kamera. Es ist nur eben schwer, diese Modelle allein aus den Beschreibungen der Shops herauszufinden, vor allem, wenn man technisch nicht das nötige Hintergrundwissen hat. Und wer einmal eine schlechte Erfahrung mit einer solchen Drohne macht, der überlegt sich zweimal, ob er von der gleichen Quelle ein zweites Mal bestellt.
Da sich seit einiger Zeit selbst die billigsten Modelle mindestens ordentlich fliegen, tätigt man bei den ganz billigen Modellen selten einen krassen Fehlgriff. Problematischer wird es, sobald eine Kamera an Bord ist. Grundsätzlich sollte man skeptisch sein, wenn eine Drohne, die günstiger als 200€ ist, überhaupt mit 4K wirbt. Die Auflösung ist bei weitem nicht das wichtigste an der Kamera einer Drohne, und hier meistens nur aus Werbezwecken mit dabei. Wirklich gute Videoaufnahmen mit Drohnen kosten leider auch 2020 immer noch etwas Geld – wenn auch bei weitem nicht so viel wie eine DJI Mavic 2. Ich erwähne immer wieder gerne die FIMI X8 SE, die für unter 400€ sehr schöne Aufnahmen macht. Oder die Modelle Zino und Zino 2 von Hubsan.
Worauf will ich mit diesem Text überhaupt hinaus? Mir geht dieser Zustand einfach ziemlich auf die Nerven. Sich auf neue Modelle zu freuen und diese auszuprobieren ist für mich durchaus Teil des Hobbys. 2016 habe ich mich über jeden neu erscheinenden Quadrocopter gefreut. „Altitude Hold“ war ein neues Features bei Mini-Modellen. Die erste Kamera in einer Drohne, die auf die Handfläche passte, machte mir viel Spaß, auch wenn die Bildqualität unterirdisch war. Heute fluten chinesische Billighersteller den Markt und Innovationen muss man mit der Lupe suchen.
Wenn ihr aus dieser etwas wirren Wutrede irgendetwas mitnehmen wollt: Informiert euch genau, bevor ihr irgendeine Drohne kauft, vor allem, wenn sie als das nächste große Video-Wunder angepriesen wird. Oft reicht ein Blick in die technischen Daten, wo meist doch irgendwo die wirkliche Kameraauflösung zu finden ist. Und wenn ihr neu im Hobby seid und nach einem ersten Modell sucht, verzichtet einfach ganz auf die Kamera. Auch mit den kleinsten Drohnen ohne Videofunktion kann man nämlich sehr viel Spaß haben.
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