Niemand braucht einen 1000€-Staubsauger – Warum die Preise moderner Saugroboter absolut unverhältnismäßig sind
Staubsauger-Roboter aus China galten mal als besonders günstige und trotzdem zuverlässige Alternativen zu teuren, westlichen Marken. 2022 kosten die Spitzenmodelle von Xiaomi, Roborock, Dreame und Ecovacs allesamt knapp 1.000€. Was ist da passiert und wer will das ernsthaft noch bezahlen? Und weiter gedacht: Wer braucht das überhaupt? Ich bin der Meinung: Niemand. Ein Saugroboter ist nach wie vor ein Luxusprodukt, aber bereits 300€-Modelle sind so gut, dass es für die teuren Sauger kaum eine Rechtfertigung gibt.
Saugroboter sind toll, müssen aber nicht teuer sein
Um mal eines direkt vorweg zu nehmen: Ich finde Saugroboter grundsätzlich verdammt praktisch. Ich habe Anfang des Jahres hier noch erläutert, wie sich diese Ansicht bei mir gewandelt hat. Vor einer Weile war ich noch ein ziemlicher Zweifler, wenn auch nicht ein erklärter Gegner der automatischen Sauger. Das lag vor allem an meiner damaligen Wohnung, die einfach unpraktisch geschnitten war, aber auch an einer generellen Skepsis. Die hat sich seitdem gehörig gewandelt und den Staubsauger kann ich mittlerweile aus meinem Leben fast nicht mehr wegdenken. Staubsaugen per Hand ist Ausnahme geworden. Klar, es muss schon regelmäßig dort gemacht werden, wo „Robi“ einfach nicht hinkommt. Aber die ganze Wohnung, unter dem Bett und unter dem Wohnzimmertisch Staub zu saugen, gehört der Vergangenheit an.
Warum ein Saugroboter praktisch ist, das haben wir in unzähligen Artikeln hier auf der Webseite erklärt und manches davon ist auch ziemlich eindeutig. Wenn der Saugroboter die Wohnung putzt, während ich nicht zu Hause bin, muss ich das am Abend nicht machen. Da die Sauger von alleine zu ihrer Ladestation zurückfinden, muss man sich auch um das Aufladen nicht kümmern und kann den Haushaltshelfer im Grunde genommen Wochen und Monate lang ungestört seine Arbeit machen lassen. Die einzige Aufmerksamkeit, die er braucht, ist ein- oder zweimal pro Woche die Staubkammer manuell über dem Mülleimer zu entleeren. Das dauert ein bis zwei Minuten, je nachdem, wie gründlich man dabei mit dem Reinigen des Filters ist. In etwas größeren Abständen muss außerdem die Walze von Haaren befreit werden (hier gibt es auch schon anderen Lösungen) und die Sensoren wollen gereinigt werden.
Was man bei alledem vor allem spart, ist Zeit. Die Wartung und Reinigung sind verglichen mit dem Zeitaufwand, wenn man selbst saugt, minimal. Und moderne Modelle sind so fortschrittlich, dass Probleme wirklich die Ausnahme sind. Zum Verständnis: mein Saugroboter ist ein Roborock S5 Max. Das Modell hat beim Release Ende 2019 400€ gekostet; ich habe vor zwei Jahren knapp unter 300€ dafür bezahlt. Und darum geht es mir: Dafür habe ich ein Top-Modell bekommen, das meine Wohnung kartografiert, gezielt einzelne Räume oder Zonen saugen oder auch auslassen kann, Teppiche problemlos meistert und darauf automatisch die Saugleistung erhöht und über eine übersichtliche und einfach zu bedienende App gesteuert werden kann. Genau genommen hat er sogar eine Wischfunktion, auch wenn ich die noch nie benutzt habe, was mein Argument aber eigentlich nur unterstreicht. Hätte man die Funktion weggelassen, hätte der Preis sicherlich noch etwas niedriger ausfallen können und der Sauger wäre genauso gut.
Ich will hier auch ausdrücklich keine Werbung für Roborock machen. Auch andere Hersteller haben sehr gute Modelle in dieser Preisklasse. Und perfekt ist auch der S5 Max keineswegs. Dass er in unregelmäßigen Abständen auch mal die Orientierung verliert, kommt vor. Dass er Schuhe durch den halben Flur schiebt und dabei die Schnürsenkel frisst, ebenso. Bereits zweimal ist es vorgekommen, dass er das Kabel meiner Kopfhörer, das vom Schreibtisch hing, aufgesaugt und die Kopfhörer gewaltsam vom PC gerissen und durch die Wohnung hinter sich hergezogen hat. Die bessere Objekterkennung neuerer Modelle wäre hier vielleicht hilfreich gewesen.
In ein paar Jahren oder Jahrzehnten werden Saugroboter vielleicht das normalste der Welt sein. Aktuell sind sie noch ein Luxusprodukt, und als solches werden sie auch über ihren Preis definiert. Als chinesische Marken 2016/17 langsam aufkamen, war ihr großer Vorteil gegenüber Herstellern wie Dyson, Vorwerk oder iRobot der Preis. Und dabei muss man bedenken, dass selbst 300€ nicht wenig Geld sind. Wie kommt es also, dass selbst diese Marken, die ehemals für ihre Preis-Leistungs-Sieger gelobt wurde, jetzt Sauger für 600, 800 oder weit über 1000€ auf den Markt bringen?
Teure Funktionen, die keiner braucht
Fast alle Saugroboter dieser Preisklasse haben mittlerweile eine Selbstreinigungsfunktion. Die bekommt man natürlich nicht per Software-Update, sondern es braucht eine entsprechende Reinigungs- und Ladestation. Das alleine treibt den Preis schon nach oben. Aber was spart man hier eigentlich? Auch wieder Zeit, aber viel weniger. Während man durch den Saugroboter selbst im Idealfall mehrere Stunden pro Woche spart, sind es durch die Absaugstation vielleicht fünf Minuten. Dafür 150€ mehr ausgeben?
Dass ich die Wischfunktion meines Saugroboters nicht nutze, habe ich schon erwähnt. Dass die meisten neuen Modelle nun auch wischen können, hat aber ebenfalls zum Preisanstieg beigetragen. Die Putzlappen der Sauger muss man aber natürlich trocknen und reinigen. Was man nicht möchte, ist ein Sauger mit feuchten und infolgedessen müffelnden Putzlappen in der Wohnung. Auch ihr Wasser zapfen sich die Sauger noch nicht selbst. Das alles bedeutet wieder Mehraufwand. Also folgten auch hier automatische Trocknungs- und Reinigungsstationen, die den Preis dafür nochmals erhöhten. Und das alles für eine Wischfunktion, die zwar schon deutlich verbessert wurde, aber anders als das Staubsaugen niemals so gut sein kann wie das Wischen per Hand. Den Druck, den man bei festsitzenden Flecken mit den Armen ausüben kann, kann ein Saugroboter rein physikalisch wegen seines geringen Gewichts niemals erreichen. Dass man nun weiter an der Technik arbeitet, damit Teppiche nicht nass werden, und Wischmopps angehoben und umgeklappt werden, erhöht dir Preise weiter.
Bessere Navigationssysteme sind grundsätzlich nicht verkehrt, und mein Kopfhörer-Beispiel oben zeigt ja, dass es Gründe gibt, hier nachzubessern. Auch hier haben wir aber seit Jahren einen Standard erreicht, der für 90% aller Anwendungen ausreichend ist. Mehr Sensoren, mehr Kameras und noch bessere Software treiben mehr den Preis als dass sie die Erfahrung mit dem Saugroboter verbessern.
Ich kann nur nochmal betonen: Mein 300€-Saugroboter von vor drei Jahren staubsaugt die Wohnung nahezu perfekt. Und der hat sogar eine Wischfunktion. Die Entwicklungen, die ich in den letzten Jahren gesehen habe, rechtfertigen nicht, dass neue Modelle jetzt vierstellige Preise haben. Das kann man in Zeiten von steigenden Lebenserhaltungskosten einfach niemandem ernsthaft verkaufen.
Was nichts kostet, ist auch nichts?
Dass ich mich hier ausgiebig und ernsthaft über Staubsauger aufrege, ist schon etwas speziell, das ist mir auch klar. Sich darüber zu ärgern, dass Produkte mit mehr und neueren Features mehr kosten, ist auch irgendwie müßig. Ich bin persönlich einfach kein Fan von teurer Technik, das sollte ich vielleicht erwähnen, wenn man es nicht eh schon herausliest. Ich halte auch High-End-Kopfhörer, -Smartphones und -Grafikkarten für absolut überteuert und freue mich darüber, wenn gute Produkte für jeden bezahlbar bleiben.
Die Entwicklung betrifft aber nicht nur Saugroboter. Viele chinesische Firmen (aber nicht nur die), die ursprünglich mit Budget-Alternativen auf den Markt gekommen sind, haben nun über Jahre Expertise gesammelt und drängen immer mehr auch auf den Premium-Markt. Bei Smartphones wird das fast noch deutlicher. Das an sich ist auch nicht verkehrt, zumal die günstigen Versionen ja nicht verschwinden. Es verzerrt aber die Wahrnehmung, wenn dadurch die teuren Modelle auf einmal als Vergleichswert herangezogen werden und Käufern suggeriert wird, man müsse doch wieder mehr ausgeben. Nach und nach setzt sich wieder durch: Wer „was Richtiges“ will, der muss einfach tiefer in die Tasche greifen. Und es entsteht ein falsches Gefühl von Luxus, für das besonders ahnungslose Kunden am Ende einfach viel zu viel Geld ausgeben. Genau das wollen wir aber ja verhindern.
Warum mich dieser Effekt, der sicherlich überall vom Klopapier bis zum Sportwagen auftritt, besonders bei Saugrobotern so stört, ist wahrscheinlich, dass diese vor ein paar Jahren mit genau der gegenteiligen Prämisse angetreten sind und wir diese Entwicklung hier von Anfang an begleitet haben. „Du musst nicht viel Geld ausgeben, um ein wirklich gutes Technik-Produkt zu bekommen, dass dir den Alltag wesentlich erleichtert.“ Das war damals der Kerngedanke, wenn man extra einen Sauger aus China importiert hat. Ich glaube, das gilt nach wie vor und sollte bei aller Begeisterung über technische Neuerungen nicht vergessen werden. Kauft Qualität, aber kauft nicht teuer. Kein Mensch braucht einen 1000€-Saugroboter.
Wenn du über einen Link auf dieser Seite ein Produkt kaufst, erhalten wir oftmals eine kleine Provision als Vergütung. Für dich entstehen dabei keinerlei Mehrkosten und dir bleibt frei wo du bestellst. Diese Provisionen haben in keinem Fall Auswirkung auf unsere Beiträge. Zu den Partnerprogrammen und Partnerschaften gehört unter anderem eBay und das Amazon PartnerNet. Als Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen.
Sortierung: Neueste | Älteste
Kommentare (40)