Pulsetto – Vagus-Nerv-Stimulation als Geheimwaffe gegen Stress & Angst?
Stress, Schlafprobleme, Angst – Vielen kommt das irgendwie bekannt vor. Wäre es da nicht genial, ein Gadget zu haben, das nachweislich für Entspannung und Stressreduktion sorgt? Hier kommt das über Indiegogo innerhalb von einem Tag erfolgreich finanzierte Pulsetto ins Spiel – eine Art Nacken-Hals-Gurt, der als Vagus-Nerv-Stimulator fungiert. Was ist das und vor allem: klappt das?
- Pulsetto nicht-invasiver Vagus-Nerv-Stimulator:
Inhalt
Vagus-What?
Was unser vegetatives Nervensystem angeht, so bashen sich grob gesagt in unserem Körper zwei Nervenstruktur-Systeme: Das eine wird Sympathikus genannt und ist dafür da, uns ganz im Sinne des Steinzeit-Mottos „Kämpfen oder fliehen“ zu pushen. Unsere Herzfrequenz steigt an, Adrenalin und Co werden ausgeschüttet. Heutzutage äußert sich das weniger in der Flucht vor dem Säbelzahntiger, sondern einem stressigen Arbeitsalltag.
Der Gegenspieler des Sympathikus ist funktionell gesehen der Parasympathikus. Es handelt sich um diejenigen Nervenstrukturen, die dem Gehirn melden, wann Ruhe und Entspannung angesagt ist. Damit hat der Parasympathicus einen dämpfenden, ausgleichenden Einfluss auf unsere Körperfunktionen.
Ein zentraler Bestandteil des Parasympathikus ist der Vagus (lat. „Wandern“)-Nerv, der seinem Namen alle Ehre macht: Als zehnter Gehirnnerv „wandert“ er vom Gehirnstamm über den Hals in den Bauchraum. Dabei erreichen seine Verzweigungen u.a. Nieren, Leber und eben das Herz. Wird der Vagus-Nerv getriggert, bekommt das Gehirn sozusagen auf neudeutsch die Information: „Cool down, chill mal“. Konsequenz: das Herz schlägt weniger schnell – eine gute Ausgangslage für Entspannung und Regeneration.
Pulsetto als Nerv-Trigger aKa Neurostimulation
An diesem Punkt setzt Pulsetto mit einer Art Nacken-Hals-Gurt an. Das in anthrazit gehaltene Gerät eines litauischen Start-Ups soll besonders leicht und flexibel sein. Es erinnert an einen gerade von den Ohren abgesetzten Kopfhörer, den man um seinen Hals trägt. An dessen rechtem Ende befindet sich eine Elektrode, über welcher ein grün illuminierter Power-Button ins Auge sticht.
Man setzt den Pulsetto nun auf, sodass die Elektrode (mit aufgetragenem Kontaktgel) am Hals nahe des dort verlaufenden Vagus-Nerv sitzt. Nachdem man das Gerät dann mit der App via Bluetooth gekoppelt und ein Stimulationsprogramm ausgesucht hat, wird der Vagus-Nerv nun durch niederfrequente Elektroimpulse im Bereich von ca. 25Hz für 4 bis 6 Minuten stimuliert.
Das Ganze nennt sich nicht-invasive (also ohne chirurgischen Eingriff IN den Körper erfolgende) Nerven- bzw. Neurostimulation. In diesem Fall geht es konkret um die nicht-invasive VNS (Vagus-Nerv-Stimulation), welche für ein Absenken der Herzfrequenz bei Ausschüttung von zur Entspannung hilfreichen Hormonen wie beispielsweise Serotonin sorgen soll.
Studienlage: vielversprechend aber rar
Die naheliegende Frage lautet: Klappt das? Kurze Antwort: ja. Lange Antwort: Die dämpfende Funktion des Vagus-Nerv auf die Herzfrequenz ist wissenschaftlich gut belegt. VNS wird etwa bei der Behandlung von Epilepsie oder Depression eingesetzt, wenn andere (medikamentöse) Maßnahmen nicht greifen. Jetzt kommt jedoch ein großes ABER.
Wirklich gut erforscht ist bisher nur eine VNS mittels chirurgisch platzierten Elektroden unmittelbar am Vagus-Nerv selbst. Die Forschungslage zur nicht-invasiven VNS (nVNS) ist dagegen rar, aber vielversprechend. Studien dazu sind erst in den letzten Jahren erschienen, bezeugen aber die Wirksamkeit der Methode.
Fraglich ist, welchen Anteil in Sachen Wirksamkeit dabei die individuelle Erwartungshaltung hat (Stichwort: „Der Glaube versetzt Berge“). Pulsetto jedenfalls führt zwar für das eigene Gerät auch eine Studie an, deren Fallzahl ist mit 15 Versuchsteilnehmenden aber sehr gering.
Mitbewerber: Pulsetto nicht alleine
Das Prinzip, den Vagus-Nerv „von außen“ mit Stromimpulsen zu stimulieren, nutzen auch andere Hersteller. Direkter Konkurrent zu Pulsetto ist hier beispielsweise Sensate – ein ovales flaches Gerät, das auf Höhe der Brust getragen wird. Auch hier werden Stress- und Angstreduktion versprochen. Die nVNS soll aber auch wirksam beispielsweise bei Long-Covid sein (Nurosym). Mit positiven Studienergebnissen trumpfen kann zudem „gammaCore„, welches erwiesenermaßen gegen Clousterkopfschmerz helfen soll. Näheres dazu könnt ihr hier und hier nachlesen.
Einschätzung: spannend, aber…
Pulsetto liefert mit dem gleichnamigen Gerät zur Stimulation des Vagus-Nerv von außen durch Stromimpulse ein ohne Frage spannendes Gerät. Für viele Menschen kann das sicherlich (indirekt durch die Absenkung der Herzfrequenz) für Entspannung und Ruhe sorgen. Denn: das zugrundeliegende Prinzip in Form der Vagus-Nerv-Stimulation ist gut erforscht, die nicht invasive Vagus-Nerv-Stimulation hingegen bisher aber noch nicht. Erste Studien sind hier zwar erfolgsversprechend. Ich bleibe aber trotzdem erst einmal skeptisch aus zwei Gründen:
Erstens sind die abgegebenen Impulse recht gering, was mich an der Effizienz von Pulsetto zweifeln lässt. Andererseits: starke Impulse sind wiederum gefährlich, kann doch eine Überreizung des Vagus-Nerv auch einen Herzstillstand zur Folge haben. In jedem Fall ist es jedenfalls ein Eingriff in unser sehr komplexes Nervensystem.
Zweitens finde ich die Idee an sich gut, aber sie bezieht sich nur auf die Linderung der Symptome, nicht aber die dahinterstehenden Ursachen von Stress oder Angst. Permanent die Herzfrequenz abzusenken um eine offensichtlich ungesunde Lebenssituation zu meistern, kann nicht ultima ratio sein. Damit wären wir bei euch: Was denkt ihr über Pulsetto? Sinnvolles Gadget oder Bullshit? Gerne mal posten.
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Kommentare (37)